Psyche und Seele

 

Seit meinem sogenannten Burnout im Jahr 2021 habe ich sehr viel mit Psychologen, Fachärzten für Psychosomatik und Psychiatern zu tun. Immer wieder verwirrt mich, dass die Begriffe „Seele“ und „Psyche“ gleichgesetzt werden. Da wird viel von seelischen Wunden gesprochen, vom seelischen Leid und von der verletzten Seele. Das irritiert mich zutiefst und ich möchte hier schildern, wie ich diese beiden Aspekte des Menschseins wahrnehme. Meine Wahrnehmung wurde bestätigt und ich ging in Resonanz mit Texten und Erklärungen von unter anderen Renate Maria Grzimek, Varda Hasselmann und Frank Schmollke, Karfried Graf Dürckheim und Maria Hippius Gräfin Dürckheim, Andrea Wandel, Anke Evertz, Anita Moorjani und den alten vedischen Schriften.

 

 

„Psyche“…

 

…existiert nur, solange die Seele inkarniert ist, also einen Körper belebt. Die Belebung eines Körpers ist eine aufregende und sehr besondere Erfahrung für die Seele, die sich sonst immer in Verbundenheit erlebt. Verbindet sie sich allerdings mit einem Körper auf dieser Erde, so gibt es auf einmal eine völlig neue Erfahrung: die Trennung. Auf einmal gibt es Du und ich, fremd und vertraut, Freunde und Feinde, verträglich und unverträglich, es gibt Schmerzen und schließlich die Gefahr des Todes. Es gehört zum Spiel des irdischen Lebens, dass wir Menschen unsere geistige Heimat vergessen und uns sehr stark mit unserem Körper identifizieren. Und plötzlich erleben wir Einsamkeit, Krankheit, Trennung, Verlust, Mühe, Schmerzen, Ängste. All dies möchte verarbeitet werden und dazu dient die Psyche. Sie ist sozusagen unser geistiges Verdauungssystem. In der vedischen Lehre des alten Indien beobachteten die Weisen, dass es verschiedene Aspekte der Psyche gibt. Ähnlich wie unsere körperlichen Verdauungsorgane unterschiedliche Funktionen haben, hat auch die Psyche „Organe“ mit bestimmten Funktionen: Erinnerung, Weisheit, alltägliche Automatismen, familiäre Prägungen, usw.

 

 

„Seele“…

 

…ist der Begriff für den Anteil von mir und von jedem Menschen der niemals verletzt werden kann, der ewig lichtvoll, ungeteilt und zutiefst mit dem Schöpfungsursprung – auch Gott genannt - verbunden ist, ja sogar in gewisser Weise eins ist mit ihm. Und an dieser Stelle ist für mich das Maskulinum absolut passend, denn die Inspiration gehört zum männlichen Aspekt der Schöpfung. Der empfangene und inkarnierende weibliche Aspekt ist dadurch nicht weniger wert oder wichtig.  Die Seele ist unglaublich dynamisch, sie ist zwar eine Entität, aber mit sehr durchlässiger zarter Grenze. Sie liebt Erfahrungen und urteilt nie, ob etwas gut oder schlecht ist. Jede Erfahrung dient der Erweiterung ihres Wissensschatzes. Die Seele erlebt sich in Verbundenheit, dabei gibt es Seelen die ihr näher sind, weil ähnliche Themen bearbeitet und ähnliche oder gemeinsame Erfahrungen gemacht werden. Wenn ein Mensch stirbt, verlässt die Seele den Körper. Ohne die Belebung durch eine Seele ist ein Körper tot, selbst wenn durch Maschinen körperliche Funktionen aufrechterhalten werden. Karlfried Graf Dürckheim sprach an dieser Stelle immer von dem Körper, den wir haben und dem Leib, der wir sind. Der Leib ist lebendig. Und was ihn lebendig macht ist die Verbindung zur Seele.

 

 

Im Moment leben wir Menschen in einer Zeit, in der wir uns mehr und mehr unserer Seele bewusst werden können. Das ist die eigentliche Apokalypse die gerade stattfindet, nicht die von Hollywood inszenierten Weltuntergangsszenarien. Apokalypse kann übersetzt werden mit „Entschleierung“. Die Schleier der Schattenprojektionen fallen und nun komme ich doch nochmal ins Kino, wenn am Ende des Films das Licht angeht. Dann sieht man das herumliegende Popcorn, die zertretenen Chips, die leeren Getränkepackungen – eben den ganzen Müll, der am Ende einer Projektion übrigbleibt. Was jetzt ansteht ist unbequem und ein bisschen langweilig: Aufräumen und Aushalten, dass gerade mal keine Action da ist. Manchmal steigt auch Übelkeit auf, wenn wir uns bewusstwerden, wie sehr wir uns in den Projektionen auf der Leinwand verloren haben. Es ist nicht leicht, in diesen Momenten das Geschenk der Situation zu erkennen.

 

 

Denn allein und ohne Film zurückgeblieben im Kinosaal können wir unsere Schritte herauslenken aus diesem engen Projektionsraum in den wir uns hinein begeben haben. Ein Raum, der unsere Psyche mit seinen Projektionen, Schuldzuweisungen, klaren Einteilungen in Gut und Böse, richtig und falsch, recht und unrecht lange kurzfristige Entlastungen geboten hat. Ein Raum, der uns geholfen hat, zu überleben.  Wenn wir in diesem Moment erkennen, dass alles nur eine Illusion war und es wagen, das Kino ganz zu verlassen, können wir eine gewaltige Raumerweiterung erleben. Mehr noch, wir können schon während unseres Lebens auf der Erde in Kontakt mit einem Teil von uns kommen, den wir oft erst nach unserem Tod bewusst erfahren konnten.

 

 

Dieses Erwachen aus den Projektionen die unsere Psyche entlastet haben ist schön und schrecklich zugleich. Auf der einen Seite nehmen wir auf einmal einen Teil von uns wahr, der immer schon in liebvoller Neutralität und Bedingungslosigkeit alles hielt, was wir erlebten – unsere Seele. Wir können Momente von Glückseligkeit, tiefem Frieden, purer unbegründeter Lebensfreude erfahren, wenn wir zum ersten Mal mit den Qualitäten unserer Seele in Kontakt kommen.

 

 

Gleichzeitig erscheint uns die „Welt da draußen“ immer chaotischer, bedrohlicher, gefährlicher, schattenhafter. Die Psyche rebelliert, da sie geflutet wird mit Angst und die Zahl diagnostizierter psychischer Erkrankungen steigt laut Medienberichten: Depressionen, Burnout, posttraumatisches Belastungssyndrom … um nur einige zu nennen.

 

 

Diese Aktivierung alter, traumatischer Erfahrungen ist eine unglaubliche Chance, alte Selbstbilder sterben zu lassen, die aufsteigenden Gefühle nicht abzuspalten und zu verdrängen, sondern im Angesicht der liebevollen Neutralität unserer Seele durchlaufen zu lassen und zu transformieren. Bei dieser Transformationsarbeit, die wir im Moment zu leisten haben, ist es hilfreich, sich immer wieder gute Begleiterinnen und Begleiter zu suchen, die bei solchen Durchgängen den Raum halten können.

 

Glücklicherweise gibt es immer mehr Menschen, die ihre Psyche ein Stück weit durchlichtet haben, sich ihrer Seele bewusst geworden sind und sich begleitend zur Verfügung stellen können und wollen. Sie bringen in den Prozess der momentan rebellierenden und angstüberfluteten Psyche das neutrale und liebevolle Gewahrsein des seelischen Raums ein. Und der seelische Raum ist voller Qualitäten, die sich viele Menschen für ihr Leben wünschen: Liebe, Frieden, Licht, Verbundenheit, Kreativität, Lebensfreude, Schöpferkraft, Vertrauen. Und diese Qualitäten können aus dem seelischen Raum in die Psyche einfließen.

 

 

Nach meinem Empfinden ist es wirklich wichtig, zwischen Psyche und Seele zu differenzieren, denn die Seele ist der Raum, aus dem wirkliche Heilung einströmen kann. Und dieser Seelenraum steht ausnahmslos jedem Menschen zu Verfügung. Doch haben wir Menschen den freien Willen und es ist unsere Entscheidung, ob wir die Angst- und Egoräume unserer Psyche mit den Qualitäten unserer Seele durchlichten wollen oder eben nicht. Und ganz egal, wie wir uns entscheiden: Die bedingungslose, liebevolle Neutralität unserer Seele bleibt davon gänzlich unberührt. Niemals kann sie verletzt, geteilt oder zerstückelt werden. Egal was uns in unserem Leben widerfährt, unsere Seele ist immer rein und unschuldig.

 

 

Wenn mehr Menschen sich mit den Qualitäten ihrer Seele verbinden und ihre Psyche durchlichten würden, wie friedvoll würde dann die Welt … wie entscheidest Du Dich?