Orientierung

Eben noch war ich in einem Reisebus. Neben mir ein Mann mit langen blonden Haaren und eine Freundin. Wir lagen da und sinnierten über das Leben. Irgendetwas hatte mich aufgewühlt und sie redeten liebevoll mit mir. Dann bin ich plötzlich in einem anderen Raum. Allein. Wo bin ich? Draußen rauscht es. Ich öffne die Augen und bin auf Römö. Das Fenster ist leicht geöffnet. Es sind die Kiefern, die rauschen. Ein würziger Duft liegt im Zimmer, frisch und harzig. Es ist nicht mein Bett Zuhause, ich bin woanders.

 

 

Ich erinnere mich. Die Freundin liegt nebenan. Wir sind gestern angekommen. Ich taste mit meinen Sinnen weiter den äußeren Raum ab. Es ist bis auf das Rauschen ruhig. Die Sonne scheint ein wenig durch die Bäume und malt Schatten an meine Zimmerwand. Mir ist warm, es ist kuschelig im Bett und ich weiß, ich bin an einem sicheren Ort. Also taste ich meinen inneren Raum ab. Das Schildchen im Nacken kratzt. Das wollte ich schon lange entfernen. Und eigentlich müsste ich mal, aber es ist so gemütlich…Die letzten Tage waren anstrengend. Wenig Schlaf und schwierige Entscheidungen standen an. Ich schaue den Gedanken zu, wie sie mir die Geschichte noch einmal erzählen. Wie sie unterschiedliche Aspekte beleuchten, bewerten, manches anzweifeln. Ich liebe es, den Gedanken zuzuschauen…

 

Orientierung hat für mich mit sinnlicher Wahrnehmung und gedanklicher Einordnung zu tun. Wenn ich mich orientieren möchte stelle ich mir Fragen wie:

 

 

_Wo bin ich?
_Wer bin ich?
_Wie fühlt es sich hier an?
_Was spürt mein Körper? Welche Impulse kommen aus ihm?
_Welche Gedanken fliegen mir zu?
_Was rieche, schmecke, höre, sehe ich und was spürt meine Haut?
_Sind das Schmerzen? Wohlgefühle?

 

 

Gelernt habe ich, der gedanklichen Ordnung mehr Gewicht zu geben und ihr zu folgen. Und diese Einordnung ist erlernt, manchmal läuft sie sogar konträr zu meiner Wahrnehmung oder verurteilt diese. Man nennt es auch Moral. Dann entsteht ein Zwiespalt in mir, ein schmerzhafter Riss, eine Ratlosigkeit und Verwirrtheit. Es schneidet mich ab von meiner Quelle. Dann orientiere ich mich nicht mehr an meiner Wahrnehmung, sondern schaue nach außen und hoffe, das andere Menschen mir sagen, was „richtig“ und „falsch“ ist. Ich glaube dann, es gibt Menschen, die es besser wissen als ich. Es wird dann sehr eng und ich bin dann außer mir und nicht bei mir, wenn ich mich nur an anderen orientiere.

 

 

Orientierung hat für mich viel mit der Suche nach Sicherheit zu tun. Finde ich die im Außen? Oder in meinem Innenraum? Was bin ich bereit, für meine Sicherheit zu opfern? Welche Kompromisse gehe ich ein?

 

 

Je länger ich aber die Orientierungsfragen einfach entspannt im Raum schweben lassen kann, desto freier werde ich. Desto weiter wird der Raum. Dann bin ich Alles und Nichts zur gleichen Zeit. Und alles geschieht gleichzeitig in einem mühelosen Tanz und ich bin ein Staubkörnchen im Sonnenlicht tanzend. So wie es die Sufis beschreiben. Dann vertraue ich dem Sonnenstrahl, dass er mich auf sich bis nach Hause tanzen lässt. Ich habe gar keine andere Wahl und in dieser Ausweglosigkeit liegt meine ganze Freiheit begründet.

 

Woran orientierst Du Dich?